Wird in der Allgemeinheit von Kunst gesprochen, die etwas möglichst naturgetreu darstellt, so fallen häufig Worte wie „realistisch“, „natürlich“, „naturalistisch“ oder auch „hyperrealistisch“. Hiermit meinen die Betrachter oft das Gleiche, ohne sich der tatsächlichen Unterschiede zwischen den Begriffen bewusst zu sein.
Im Folgenden sind besagte Begriffe daher einmal kurz erläutert und gegenübergestellt.
Realismus
Der Begriff „realistisch“ beschreibt eine genaue und detaillierte, sowie ungeschönte Darstellung von Natur oder Alltagsleben der Entstehungszeit. Hierbei wird von fantastischen Elementen und der Idealisierung des Dargestellten, wie sie in der klassischen Kunst üblich war, abgesehen. Stattdessen liegt der Fokus auf der genauen Beobachtung des äußeren Erscheinungsbildes des Abgebildeten.
Der Realismus entstand Mitte des 19ten Jahrhunderts und ging von Frankreich aus, eine künstlerische Bewegung in Ablehnung der Romantik. Die Künstler wollten lieber die Wahrheit darstellen, anstatt sich dem Ausdruck von Emotionen hinzugeben. Sie zeigten daher Menschen aller Klassen in allen (Lebens-)Situationen – wobei es damals nahezu skandalös war, beispielsweise hart Arbeitende zum Gegenstand eines Gemäldes zu machen.
Zu diesen Künstlern zählten u.a. Gustave Courbet, Jean-Francois Millet und Honore Daumier.
Der Realismus zielt bewusst auf die Abbildung der Realität einschließlich Unschönheiten, um die tatsächliche Situation so genau wie möglich darzustellen, oft auch mit Fingerzeig.
Naturalismus
Mit „naturalistisch“ ist die lebensechte Wiedergabe der Natur mit möglichst wenig Abänderungen (wie z.B. durch Idealisierung) und Interpretation gemeint.
Es müssen von dem/der Künstler*in natürlich trotzdem immer kleinste Änderungen am Abbild vorgenommen werden, um eine Vorstellung eines natürlichen Bildes beim Betrachter zu erzeugen. Im besten Falle hat das Kunstwerk am Ende quasi fotografische Qualität.
Die frühste Form naturalistischer Kunst wird meist den Griechen zugesprochen, deren Statuen schon sehr früh naturgetreu waren, während die erste naturalistische Malerei den Ägyptern angerechnet wird.
Die naturalistische Figurenmalerei machte weitere wichtige Fortschritte in der Renaissance, während die Landschaftsmalerei noch als zu unwichtig galt, als dass sie solche Bemühungen gerechtfertigt hätte. Zu ihren Vertretern gehörten Meister wie Leonardo da Vinci, Michelangelo, Albrecht Dürer und Caravaggio.
Der Naturalismus der Neuzeit entwickelte sich später aus der englischen Landschaftsmalerei, und kam dann nach Frankreich und weitere teile Europas.
Realismus vs. Naturalismus
Zwischen Realismus und Naturalismus gibt es einen wesentlichen Unterschied:
Während sich Realismus eher mit den Inhalten (wer oder was) beschäftigt, meint Naturalismus eher die Art, wie gemalt wird. Realistische Kunst soll häufig eine Art soziales oder politisches Bewusstsein beim Betrachter erzeugen – daher beispielsweise die schonungslose Darstellung harter Arbeit zur Zeit der Industriellen Revolution als Kritik an den schlechten Verhältnissen, in denen viele Menschen lebten. Realistische Kunst ist daher oft naturalistisch gemalt, aber die Darstellungsart ist nicht das eigentliche Ziel des Werks.
Hyperrealismus
Mit „hyperrealistisch“ sind Werke gemeint, die mithilfe extrem hochauflösender Fotoreferenzen eine naturgetreue Nachbildung der Realität schaffen. Hierbei ist das Endprodukt nicht mehr von der Referenz unterscheidbar. Im Fall von Skulpturen zeigt das Werk am Ende sogar manchmal mehr, als tatsächlich mit bloßem Auge zu sehen ist.
Das Ziel hyperrealistischer Kunst ist oft, eine Art falsche Realität zu schaffen. Schon für eine „perfekte Kopie“ des Realen benötigt man sehr viel künstlerisches Können, doch diese Kunstwerke gehen noch ein bisschen weiter: Sie stellen praktisch eine qualitative „Verbesserung“ dar, in der Schatten, Lichteffekte, Oberflächen und Texturen eindeutiger dargestellt werden als sie tatsächlich wahrgenommen werden. Hierdurch werden andere Emotionen im Betrachter hervorgerufen als beim „Original“.
Der Hyperrealismus entstand aus dem Fotorealismus, somit als Gegenbewegung zu dem Minimalismus und den abstrakten Expressionismus. Sein größtes Wachstum erreichte er in den 60ern und 70ern, gefördert durch eine Gruppe von amerikanischen und europäischen Künstlern. Berühmte Vertreter sind u.a. Chuck Close, Gottfried Helnwein, Lee Jong-gu, Roberto Bernardi, Ron Muek und viele weitere.
Realismus vs. Hyperrealismus
Der wesentliche Unterschied zwischen Realismus und Hyperrealismus liegt darin, dass der erstere ein Bild reproduziert, während der letztere gezielt bestimmte Gefühle beim Betrachter hervorrufen soll.
Surrealismus
Der Surrealismus wendet sich gegen den Rationalismus, und nutzt Kunst als Ausweg aus der gegenwärtigen Realität. Diese Kunstrichtung ist geprägt durch Fantasie- und Traumbilder, deren Darstellungsweise sowohl exzentrisch als auch symbolisch ist.
Für gewöhnlich finden sich hier zwei verschieden Arten der Malerei:
Einerseits die hyperrealistische Darstellung von Objekten, bei denen aber durch Übersättigung oder farbliche Eintönigkeit klar wird, dass sie surreal sind; andererseits nutzen Künstler den sogenannten Automatismus, eine Darstellung des Unterbewussten (u.a. In Collagen, Frottagen etc.). In Fotografie und Film lassen sich jedoch auch surreale Werke mit diesen Techniken finden.
Im Falle von Skulpturen findet in der Regel eine Verfremdung des Objekts statt, eine Entfernung aus dessen eigentlichem Kontext, die anzeigt, dass diese Situation nicht der „normalen“ Realität angehört.
Der Surrealismus hat seine Anfänge im 20 Jahrhundert in Frankreich unter einer Gruppe Schriftsteller, zu denen dann Künstler hinzustießen, darunter Yves Tanguy, René Magritte, Salvador Dalí, Joan Miró und Max Ernst. Ihr Ziel war es, die „unbewusste Aktivität des Geistes“ zum Ausdruck zu bringen.
Realismus vs. Surrealismus
Realismus und Surrealismus sind sich im Wesentlichen nur im Namen her ähnlich, mit Ausnahme dessen, dass sich manche surrealistische Werke auch die naturgetreue Darstellung von Gegenständen umfassen. Sowohl die Darstellungsweisen als auch die Ziele, die mit der jeweiligen Kunstform verfolgt werden, sind sehr unterschiedlich: Während der Realismus dem Betrachter die Realität bewusst machen soll, befasst sich der Surrealismus mit Unbewusstem und Weltfremden.